Absage
Das Leben setzt einem eine Lektion so oft vor,
bis man sie gelernt hat. Das Mädchen lernt immer noch. Das Mädchen zweifelte noch
viele Jahre.
Immer wieder schickt Mama auch heute noch ihre Marionetten. Immer wieder erlebt
das Mädchen ein Deja-Vu wie zu jenem Osterfest, als sie den Nachbarn in der Inquisition
Rede und Antwort stehen musste.
Das Mädchen fühlte sich häufig genug wie ein Miststück oder wie eine Hexe. Jeder
Versuch, sich zu verteidigen, scheitert. Jeder Versuch musste scheitern, weil das,
was wirklich war, nicht ausgesprochen wurde. Damit muss Schluss sein.
Das Mädchen kennt die Reaktionen auf diese aufgeschriebenen Erinnerungen: So war
das nicht. Das Mädchen dramatisiert mal wieder. Das Mädchen hat eine lebhafte Phantasie.
Das Mädchen war immer schwierig. Das Mädchen ist selbstsüchtig und raffgierig. Das
Mädchen ist ungeduldig und und und.
Das Mädchen ist eben ein Miststück und hier sind ihre Erinnerungen.
An dieser Stelle soll es enden, auch wenn es noch viel mehr zu schreiben gäbe.
Erst vor 2 Jahren konnte das Mädchen und ihre Schwester in Frankreich die Familiengeschichte
und die Märchen, die den beiden Frauen erzählt wurden, zusammentragen.
Am Ende stellten die Frauen fest, dass sie beide belogen wurden.
Das Mädchen hat keine Mutter verloren, denn es hatte nie eine Mutter. Das Mädchen
hat eine Schwester gewonnen.
Und wenn wieder eine Marionette in das Leben des Mädchens geschickt wird, die die
Kontaktaufnahme mit den Worten: „Ich weiß ja nicht, was vorgefallen ist, aber Sie
müssen sich doch um Ihre Mutter kümmern.“ – dann kann das Mädchen heute sagen: „Wie
viel Zeit haben Sie? Ich kann Ihnen sagen, was vorgefallen ist. Ich schweige nicht
mehr.“
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