Die Nachbarn auf Mama Seite
So etwas gab es noch nie. Das Mädchen ist leer.
Es fühlt sich ausgelaugt, es hat sich ausgekotzt. Zum ersten Mal hat Mama das ausgesprochen,
was das Mädchen seit 29 Jahren fühlt. Also hat sich das Mädchen nicht getäuscht.
Diese Erkenntnis ist mit keiner Emotion verbunden. Dafür ist die junge Frau zu leer.
Es folgt eine lange Funkstille. Es folgt ein Brief mit dem wohlbekannten Entschuldigungsverhandeln.
Nein. Die Frau möchte nicht mehr. Sie ist kein Mädchen, sie ist erwachsen. Sie weiß,
was sie nicht mehr will. Und sie will sich auf keine Verhandlungen einlassen.
Doch das Leben und vor allem Mama hält noch einige Überraschungen bereit. Ein Jahr
später. Es ist wieder Ostern. Der Bruder des Ehemannes ist da. Er singt mit den
Nachbarn von Mama in einem Chor. Der Bruder erzählt der Schwiegermutter des Mädchens,
was die Nachbarn ihm erzählt hätten. Mama geht es ganz schlecht und daran wäre das
Mädchen Schuld. Wie man nur so sein könne, er könne gar nicht glauben, was er da
gehört habe.
Die Schwiegermutter erzählt es ihrer Schwiegertochter und diese greift zum Telefon
und ruft die Nachbarn an. Sie möchte nicht, dass über sie geredet wird. Sie will,
dass man es ihr ins Gesicht sagt.
Nach anfänglichem Zögern spulen die geimpften Nachbarn Mamas Vorwürfe ab. Als das
Mädchen zu Wort kommen kann, bittet sie darum, sie ausreden zu lassen.
Sie stellt in aller Kürze ihre Sichtweise dar.
Schweigen.
Die Nachbarn von Mama sind streng katholisch. Es ist Ostern.
Die Nachbarin sagt, dazu könne sie jetzt nichts sagen. Das könne sie jetzt glauben
oder auch nicht.
Das Mädchen antwortet, dass sich die Nachbarin diese Frage ganz allein beantworten
wird müssen.
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