Ehescherben

 

Das Mädchen nimmt sich eine eigene Wohnung. Es zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus. Bis es die eigene Wohnung gefunden hat, war es nicht schön. Das Mädchen ist traurig, der Ehemann ist traurig. Mama ist sauer, Papa hat kein Verständnis. Mama sagt, das Mädchen wäre einfach unzuverlässig, Papa sagt, das Mädchen habe sich nicht lange genug ausgetobt und müsse es jetzt nachholen. Was das Mädchen sagt, interessiert Mama und Papa nicht.

Der neue Mann im Leben des Mädchens nimmt sich Zeit. Er hört dem Mädchen zu. Einfach so. Er wertet nicht und urteilt nicht. Er hat keinen Hass auf den Ehemann und drängt das Mädchen zu gar nichts. Er hilft beim Auszug und bleibt auch ruhig als der Ehemann etwas wütend wird.

Das Mädchen sitzt im 7. Stock eines Wohnblocks in einer kleinen Einzimmerwohnung und ist durcheinander.

Was, wenn es wirklich alles falsch macht? Was, wenn es wirklich alles kaputtmacht, weil es das immer macht, weil es nichts anderes kann?

Aber es fühlt sich ganz tief im Bauch so richtig an. So stimmig. So ruhig. So echt. Das Mädchen will seinem Bauch vertrauen, auch wenn das bedeutet im Moment die ganze Welt gegen sich zu haben.

Nein, das Mädchen solle vorerst nicht zu Mama und Papa kommen, um bei einem Besuch zu erklären, warum und wieso das Mädchen so gehandelt hat. Nein, Mama und Papa haben keinen Nerv, das Mädchen zu sehen, sie wären viel zu enttäuscht.

Mama geht es schlecht, das Herz, der Kreislauf, die Schwindelanfälle. Das ist einfach zu viel für Mama, was das Mädchen ihr alles aufbürdet.

Man wäre ja mit der Ehe schon nicht einverstanden gewesen, aber da habe das Mädchen mal wieder seinen Kopf durchsetzen müssen. Was man alles auf sich genommen hätte, um dem Mädchen gerecht zu werden. Und jetzt sehe man ja, wohin das geführt hat.

Das Mädchen möchte nur Zeit, es will nur deutlich machen, dass es nicht dumm und nicht überstürzt gehandelt hat, aber Mama sagt, dass gehe gar nicht, denn immerhin stünde Mama jetzt vor den Scherben der Ehe des Mädchens und müsse damit erst einmal klarkommen.

Das Mädchen fühlt sich wie im falschen Film. Wieso steht Mama vor den Scherben der Ehe des Mädchens?
Mama ist auch die zweite Frau von Papa, also weiß sie doch, dass so etwas vorkommen kann.
Warum ist es bei Mama okay und beim Mädchen falsch?

Warum will niemand zuhören? Warum klagt Mama, wie schlecht es ihr gehe und fragt nicht einmal, wie es dem Mädchen geht, oder ob es etwas braucht.
Das Mädchen will nicht nach Hause zurück. Es kann und will nicht und darf auch nicht wieder zu Hause einziehen. Es ist kein Platz für das Mädchen. Das weiß das Mädchen und das wollte es auch nie.
Mama und Papa müssen dem Mädchen nicht helfen und ihm auch nicht unter die Arme greifen, und dennoch sind es Mama und Papa, die leiden, weil das Mädchen falsch ist.

Mama fragt das Mädchen, ob es sich schon einmal überlegt hat, wie Mama jetzt im Ort auf die Straße gehen soll? Wie es Mama geht, wenn sie die Mutter des Ehemanns des Mädchens trifft, was wohl die Leute sagen und wie sie jetzt noch in den Kunstverein gehen soll, wo doch auch die Mutter des Ehemanns ist.

Nur weil das Mädchen immer seinen Willen durchsetzen muss und so unüberlegt ist, zerstört es das Leben von Mama.
Das Mädchen sagt: „Ach? Jetzt erst? Ich dachte, das hätte ich schon längst!“

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