Entschuldigungsverhandeln

 

Wenn Mama böse ist, sagt sie dem Mädchen, was es falsch gemacht hat. Nein, sie sagt dem Mädchen, dass es falsch ist.

 

Meistens geht es gar nicht mehr um ein Fehlverhalten, sondern darum, dass Mama sehr traurig ist, weil das Mädchen so falsch geworden ist. Dabei habe sie sich doch immer bemüht und alles für die Familie aufgegeben und das sei jetzt der Dank, jammert Mama.

 

Am Anfang will das Mädchen nicht, dass Mama traurig ist und nimmt alles zurück. Mama soll nicht traurig sein. Das Mädchen muss sich ändern, es muss sich entschuldigen und dann ist Mama nicht mehr traurig. Das Mädchen entschuldigt sich, stimmt Mama zu, dass es allein an dem Mädchen liegt, erträgt Mamas dann noch andauernde Traurigkeit und Enttäuschung, weiß dass mit ihm eine Zeitlang nicht geredet wird und macht sich ganz klein. Oft muss es Mama mehrfach um Entschuldigung bitten.

 

Am einfachsten ist es aber, einzusehen, dass Mama gar keine Schuld hat und das Mädchen alles falsch macht. Immer. Zumindest dann, wenn es darum geht, was das Mädchen will und das nicht das Gleiche ist, was Mama will.

 

Manchmal stimmt das Mädchen nicht sofort zu. Dann weint Mama und dann gibt es keine andere Lösung mehr. Dann muss das Mädchen die Schuld komplett auf sich nehmen, sonst bekommt Mama vielleicht sogar wieder Schwindelanfälle.

 

Als das Mädchen heranwächst, hat es keine Lust mehr auf dieses immer gleiche Procedere. Es stimmt nicht. Mama hat nicht immer Recht und das Mädchen hat nicht immer Unrecht. Beide haben Recht und Unrecht, beide haben unterschiedliche Meinungen. Das heißt aber nicht, dass die Meinung des Mädchens grundsätzlich falsch ist.

Das Mädchen hört auf, sofort um Entschuldigung zu bitten, wenn Mama dem Mädchen signalisiert, dass sie traurig und enttäuscht ist.

 

Jetzt verhandelt Mama. Tatsächlich kommt sie auf das Mädchen zu. Das ist neu. Mama sagt, sie habe vielleicht auch nicht alles richtig gemacht. Mama sagt, sie wäre bereit sich für die ein oder andere Sache zu entschuldigen, aber nur, wenn das Mädchen eingesteht, dass es in verschiedenen Punkten komplett falsch liegt und sich zumindest für diese bei Mama entschuldigen muss. Wenn das Mädchen anfängt, dann ist Mama auch bereit, sich zu entschuldigen.

 

Das Mädchen fühlt sich verraten. Um Entschuldigung bitten und Fehler einsehen ist doch kein Verhandeln, wie man auf dem Flohmarkt über einen Preis verhandelt.

 

Also sagt das Mädchen, es müsse darüber nachdenken. Mama ist erbost. Was dem Mädchen einfällt, sie einfach so stehenzulassen. Aber das Mädchen macht es.

 

Dann sagt das Mädchen, dass es Mamas Entschuldigung gerne annimmt, seinerseits aber an der eigenen Meinung festhält.
Mama ist wie vor den Kopf gestoßen. So nicht, meine Liebe – sagt Mama!

 

Mama sagt, sie hat ja schon Vieles von dem Mädchen gesehen und Vieles mit dem Mädchen mitmachen müssen, das jetzt sei aber die Höhe, das würde dem Fass den Boden ausschlagen.

 

Wer das Mädchen meint, dass es sei?

Das Mädchen will aber nicht. Es will nicht mehr. Wer es ist, weiß es nicht genau, aber nicht die Person, die Mama sagt, dass es sei.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Geburtstag

Im Zug

Gummistiefel