Experimentelle Ohnmacht

 

Manchmal geht es dem Mädchen nicht so gut. Daran ist es selbst schuld, es ist ja noch krank. Es macht sich seine Gesundheit vorsätzlich selbst kaputt, sagt Mama. Meist wird aber nicht mehr von der Krankheit des Mädchens gesprochen.

Wenn es Mama nicht gut geht, dann muss jeder aus der Familie sich um sie kümmern und da sein. Eigene Pläne, eigene Vorhaben, Verabredungen zählen dann nicht mehr und alle bemitleiden Mama.
Und Mamas Schwindelanfälle kommen so plötzlich, die kann man gar nicht vorhersehen. Man kann auch nie sagen, wie lange es Mama dann schlecht geht. Manchmal geht es Mama bald wieder gut, manchmal liegt sie viel auf dem Sofa.

 

Die Schwindelanfälle müssen von der Halswirbelsäule kommen. Sie trägt eine Halskrause. Aber nicht, wenn sie ausgeht.

Wenn das Mädchen krank ist, dann ist Mama genervt. Das passt ihr so gar nicht ins Konzept.

Früher war es aber gar nicht so übel, wenn die schlimmen Beschwerden erst einmal nachgelassen hatten. Wenn das Mädchen Magen-Darm-Grippe hatte, dann durfte es sich ins Wohnzimmer legen mit dem eigenen Bettzeug, dann durfte es Fernsehen solange es wollte und es durfte Cola trinken und Salzstangen essen.

Das war irgendwie gar nicht schlecht.

 

Heute ist dem Mädchen manchmal schwindlig und es hat Kopfweh. Weil es immer mit nassen Haaren aus dem Haus gehen muss, sagt Mama. Es kriegt noch eine Hirnhautentzündung, sagt Mama. Wenn es das nächste Mal krank ist, dann solle es selbst sehen, wie es zurechtkäme, Mama hätte ja gewarnt.

 

Das Mädchen hat einen Freund, der ihr beisteht. Einmal steht das Mädchen mit dem Freund in der Diele. Mama kocht in der Küche. Sie spricht mit dem Mädchen und dem Freund. Dem Mädchen wird schwindlig, alles wird wie in Watte und die Beine wollen das Mädchen nicht mehr tragen. Es klappt zusammen.

Der Freund fängt das Mädchen auf.

 

Mama guckt kurz vom Herd herüber und sagt, das Mädchen solle sich gefälligst zusammenreißen und hier keine Experimente veranstalten. Ob sie jetzt gleich in Ohnmacht fallen müssen, um Aufmerksamkeit zu erhaschen. Das wäre ja lächerlich.

 

Der Freund bringt das Mädchen in dessen Zimmer.


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