Weiterleben
21
Jahre sind seit dem ersten deutlichen Nein, welches das Mädchen seiner Mutter
entgegnete, vergangen. Das Mädchen, schon beim ersten Nein selbst Mutter und
eine in mehrerlei Hinsicht selbständige Frau, hat die Leine durchgebissen.
21
weitere Jahre hat es gebraucht, bis das Mädchen sich dazu entschlossen hat,
sich alles von der Seele zu schreiben.
21 Jahre in denen zahlreiche weitere Manipulationsversuche unternommen wurden.
21 Jahre in denen in regelmäßigen Abständen flying monkeys gesendet wurden. Mit der Zeit konnte das Mädchen die Uhr danach stellen. Kurz vor dem Geburtstag der Mutter und kurz vor Weihnachten wurde alles mobilisiert, um das Mädchen doch endlich reumütig zur Umkehr zu bewegen.
21 Jahre in denen sich das Mädchen zu Beginn sogar bei einigen Familienmitgliedern der Familie des Ehemanns rechtfertigen musste. Denn die Mutter scheute nicht davor zurück, auch diesen ihre Version der Geschichte zu erzählen.
21 Jahre, die genutzt wurden, das Mädchen auch weiterhin von allen Ansprechpartnern zu entfremden.
21
Jahre. Volljährigkeit im weitesten juristischen Sinne und das Maß war voll.
Lange Zeit war man erst mit 21 Jahren volljährig.
21 Jahre symbolisieren auch heute noch allgemein einen Wendepunkt. Der vollkommene Übergang zum Erwachsenenalter, die Zeit persönlichen Wachstums, neu entdeckter Verantwortung und (gesetzlicher) Rechte.
Vielleicht auch aus diesen Gründen hat es so lange gedauert, bis das Mädchen dem Trauma entwachsen konnte, neue Stärke erwachsen ist, Verantwortung für die eigenen Seele übernommen werden konnte und das Recht auf ein Leben ohne Marionettenschnüre erkannt wurde.
Die letzte von der Mutter kurz vor deren Geburtstag ausgesandte Marionette war ein Tropfen. Der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Das Mädchen fing an, alles aufzuschreiben.
Warum
hat das Mädchen so lange weitergeschwiegen?
Irgendwann ist die Hebamme nicht mehr schuld.
Man wäscht keine schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit.
Es wird nicht ungeschehen, wenn das Mädchen darüber redet.
Und tatsächlich die Stimme der Mutter im Kopf, die etwas von lebhafter Fantasie, von „alles nur eingebildet“, von „du warst immer schwierig“ faselt.
Es
stimmt, dass nichts ungeschehen gemacht werden kann. Der geliebte Ehemann
pflegt zu sagen: „Es ist nicht so wichtig, was Dir passiert. Wichtig ist, was
Du daraus machst.“
Und das Mädchen hat versucht, etwas daraus zu machen.
Geblieben ist das Gespür für Stimmungen, denn es war der Überlebensmechanismus
des Mädchens.
Geblieben ist die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen.
Erkannt hat das Mädchen, wie tief Mutterliebe sein kann und instinktiv und bedingungslos diese von der ersten Sekunde an ist.
Menschen
aufbauen, sie stützen, ihre Flügel wachsen lassen und nicht stutzen, das ist
dem Mädchen heute wichtig.
Gewachsen ist der Kontakt zur (Halb-) Schwester, ein weiteres Kapitel im Sumpf
der Lügen und Intrigen. Alle manipulativen Strategien konnten den Kontakt
letztlich nicht verhindern.
Gewonnen hat das Mädchen auch hier. Eine Familie, Zusammenhalt und weitere haarsträubende Erkenntnisse.
Die Narben bleiben, die Wunden schmerzen immer noch ab und an. Bedingungslose Mutterliebe hat das Mädchen nie erfahren. Das lässt sich nicht rückgängig machen.
Bedingungslose Liebe fühlt das Mädchen zu den eigenen Kindern, zwei großartigen Menschen, die dem Mädchen geschenkt wurden.
Geduld hat das Mädchen haben müssen. Viel Geduld mit sich.
Es hat alles seine Richtigkeit so und am Ende wird alles gut.
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