Führerschein

 

Das Mädchen ist jetzt über 17 und möchte den Führerschein machen. Ja, sagen Mama und Papa, aber es muss den Führerschein selbst zahlen.

„Ganz?“, fragt das Mädchen. „Ganz!“, sagen Mama und Papa. Ein Führerschein ist teuer. Viel von dem Geld, was das Mädchen im Stadtcafé und mit dem Zeitungsaustragen verdient, muss es für den Führerschein aufwenden.

Mama und Papa sagen, sie haben das Geld nicht, dem Mädchen den Führerschein zu zahlen oder auch nur etwas beizusteuern. Finanziell geht es der Familie nicht gut, da wäre ein Führerschein nicht drin. Es wäre etwas, was das Mädchen wolle und dann müsse es selbst sehen, wie es das hinbekommt.  

Da bleibt nicht mehr allzu viel übrig, denn das Mädchen kauft ja auch die Kleidung selbst und die Kosmetik, aber das Mädchen schafft es. Und wenn das Mädchen mit dem Freund ins Kino geht oder einen Kaffee trinken, dann lädt der Freund das Mädchen häufig ein.

Die Fahrstunden sind anstrengend und das Mädchen ist vorher noch nie auf dem Fahrersitz eines Autos gesessen und kennt sich gar nicht aus.

Der Fahrlehrer sagt, das Mädchen solle sich nicht so blöd anstellen und er glaubt dem Mädchen auch nicht. Schließlich ist doch jeder schon einmal heimlich auf einem Parkplatz gefahren. Das Mädchen nicht.

Der Fahrlehrer ist manchmal wie Papa. Wenn das Mädchen etwas nicht sofort versteht, dann wird der Fahrlehrer laut und schimpft und sagt, dass das Mädchen blöde wäre.
Das ist gar nicht gut, denn wenn der Fahrlehrer schreit, dann muss das Mädchen sich sehr zusammennehmen, damit es nicht weint.
Es will nicht weinen. Überhaupt nicht und schon gar nicht vor dem Fahrlehrer. Aber wenn jemand schreit, dann ist es das manchmal wie ein Automatismus. Und wenn der Fahrlehrer schreit, dann hat das Mädchen Angst und kann sich nicht richtig konzentrieren und macht Fehler und dann wird der Fahrlehrer noch wütender.

So braucht das Mädchen recht viele Fahrstunden und der Führerschein wird noch teurer. Als die Prüfung ansteht, sagen Mama und Papa, dass das Mädchen die Prüfung, wenn es durchfallen sollte, nicht wiederholen darf. Sie hat einen Versuch.

Das Mädchen kennt diese Aussagen schon, in diesem Fall versteht es diese Androhungen aber nicht. Das Mädchen zahlt den Führerschein selbst, von dem Geld, was es selbst verdient. Da kann es Mama und Papa doch egal sein, ob es die Prüfung beim ersten Mal schafft oder nicht.
Aber das Mädchen ist noch nicht volljährig und deswegen können Mama und Papa entscheiden, sagen sie.

Das Mädchen besteht die Prüfung beim ersten Mal. Mittlerweile ist das Mädchen volljährig. Das Mädchen denkt sich, dass es, selbst wenn es die Prüfung nicht bestanden hätte, selbst entscheiden hätte können, ob es die Prüfung wiederholt oder nicht. Da hätten Mama und Papa gar nichts dagegen sagen können. Obwohl das nicht nötig ist, spürt das Mädchen so etwas wie Freiheit und Erleichterung.

Der Freund hat ein Auto und das Mädchen darf das Auto auch fahren, wenn es möchte.
Mama hat auch ein Auto und sogar das darf das Mädchen fahren. Es darf mit Mamas Auto zum Einkaufen fahren, es darf die Katze zum Tierarzt fahren, es darf das Auto von Mama waschen. Schließlich benutzt es das Auto und muss es deswegen auch wieder saubermachen.

Autofahren macht Spaß. Ein kleiner Raum für das Mädchen alleine und im Radio kann es den Sender wählen, der ihm gefällt und die Musik ganz laut aufdrehen.


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